Inhalt der Sammlung

Die Bezeichnung Kartensammlung Moll hat sich zwar durchgesetzt, fängt jedoch den Charakter der Sammlung nicht in idealer Weise ein. Eine bessere Möglichkeit bietet die historische Bezeichnung Atlas. In Atlanten überschneiden sich nämlich üblicherweise zwei Arten der Darstellung von Territorien oder Orten – die bis ins Detail realistische Ansicht des Gebäudes oder der Stadt, die klassische Vedute, und die auf Grund der Behinderung durch die Größe eines Gebietes zweidimensionale Abbildung im Grundriss und symbolischer Darstellung, die Landkarte. Die Trennung zwischen topografischem und kartografischem Zugang war nicht besonders streng, wie die Beispiele der Stadtansichten aus Vogelperspektive zeigen, welche die Form der einzelnen Gebäude beibehielten, gleichzeitig aber das Straßennetz abbildeten, oder die häufige Ergänzung der Stadtpläne durch eine Kartusche mit Vedute.

Grafiken

Mirko Riedl, der sich mit den Veduten aus der Sammlung Moll ausführlich beschäftigte, verzeichnet fast 7000 Objekte. Die Angabe ist zwar im Hinblick auf die unscharfe Grenze des Begriffs relativ, trotzdem zeigt sie verhältnismäßig deutlich, dass Landkarten im heutigen Sinne des Wortes nur ungefähr die Hälfte der ganzen Sammlung ausmachen und Veduten quantitativ gleichwertig sind. Der in den Atlanten Molls enthaltene Brünner Abschnitt bietet einen repräsentativen Querschnitt durch die europäische Vedute vom 16. Jahrhundert, als die ersten großen Sammlungen von Stadtansichten (und die ersten Atlanten) entstanden, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, als der Schöpfer dieser Sammlung lebte. Durch Georg Brauns Arbeit Civitates Orbis Terrarum, die grafisch dem Kartenprojekt Theatrum Orbis Terrarum des Zeitgenossen Mercator ähnlich ist, ermöglichte die Vedute die ganze damalige Welt zu erfassen. Noch größeren Erfolg als Münsters Kosmografie Jahre zuvor, erntete Brauns Technik des Kupferstichs. Die Genauigkeit und Schärfe, die diese Technik im Detail bot, und sicher auch die längere Haltbarkeit der Druckplatten gegenüber den hölzernen Druckstöcken waren der Schlüssel zum Erfolg.

Die zahlreichen Abbildungen europäischer Städte mit der typischen figuralen Staffage eines Paares in Tracht repräsentiert die älteste Schicht der Veduten, die Moll gesammelt hat. Von größerer Anzahl sind in Molls Atlanten die Stiche aus der Werkstatt der Familie Merian aus Frankfurt am Main. Die Stecher und Zeichner dieses Unternehmens dokumentierten in vielen Ausgaben (an dieser Stelle ist das Stöhnen der Katalogisierer zu hören, die mehrmals auf eine genaue Datierung verzichten mussten) das Aussehen der Städte vom überwiegenden Teil Europas. Die ersten Ausgaben der einzelnen Teile ihrer Topografien erblickten das Licht der Welt in den 30er bis 60er Jahren des 17. Jahrhunderts, also zu der Zeit, als sich gegenseitig bekämpfende Armeen des Dreißigjährigen Kriegs in mehreren Wellen über den Kontinent wälzten. Ihre zum Teil radierten Stadtansichten, denen winzige Figuren von Bauern, Händlern, Wanderern oder Soldaten hinzugefügt wurden, erreichen zwar nicht so eine starke Wirkung wie die bekannten Stiche Callots, tragen aber doch ihren eigenen Reiz in sich und vor allem einen gewaltigen dokumentarischen und historischen Wert. Der Einfluss der Merian‘schen Stiche war so bedeutend, dass Nachahmungen ihrer Werke vornehmlich in den Werkstätten von Gabriel Bodenehr oder Pieter van der Aa noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts erschienen. Aus dieser Zeit enthält die Sammlung Moll Veduten aus den Offizinen Joseph Friedrichs und Johann Christian Leopolds oder Jeremias Wolffs (gestochen und gezeichnet von dem Schlesier Friedrich Bernhard Werner). Die klassische Stadtvedute wich jedoch bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Abbildungen von Palais und Kirchen, Gärten, Stadtstraßen und Interieurs. Diese sind in der Sammlung Moll vor allem in den Werken enthalten, die Rom und Italien allgemein, Wien und den Österreichischen Niederlanden gewidmet sind. Neben dem genannten Werner, der außerdem Ansichten von österreichischen Klöstern schuf, traten von den Österreichern vor allem Salomon Kleiner und Joseph Emanuel Fischer von Erlach hervor, deren Stiche den Betrachter vor die barocken Fassaden der Palais und Kirchen Wiens stellen. Noch mehr aber fesseln die Arbeiten aus niederländischem und italienischem Gebiet. Danckerts, Allards, Valks oder Van Calls Stiche von Schloss Het Loo mit seinen Gärten oder die Ansichten von Gerard Valk auf den Sitz in Honslaardijk oder Soestdijk sind in vielem vergleichbar mit den bekannteren Stichen aus Italien, auf denen die architektonische Pracht überwiegt. Die Werke Giovanni Battista Faldas von römischen Gärten, Brunnen oder Palais (letzere mit Pietro Ferreiri) oder Werners Ansichten der Umgebung von Florenz werden dank gut erhaltenem Zustand bis heute von Kunsthistorikern konsultiert.
These collections are contained in the volumes of the Moll Collection dedicated to Rome (and Italy in general), Vienna, and the Austrian Netherlands. Besides the aforementioned Werner, (author of, among others, the collection of views from Austrian monasteries), the engravings by Austrian authors Salomon Kleiner and Joseph Emanuel Fischer von Erlach, which put the viewer directly in front of palaces and temples of Baroque Vienna, stand out. Even more interesting still are then the works from the Dutch and Italian environment. Danckerts', Allard's, Valck's, or Van Call's engravings of the Het Loo Castle gardens or views of the same Gerard Valck at residences in Honslaardijk or Soestdijk, can in many ways compare to the better known engravings from the Italian environment where the beauty of architecture is more technically conceived. The works of Giovanni Battista Falda dedicated to Roman gardens, fountains, and palaces (the last with Pietro Ferreiriem) or Werner's insights into the Florentine environment are sought after by art historians until today due to their excellent state of preservation.

Karten

Die Karte als zweiter wesentlicher Teil von Molls Atlas repräsentiert, ähnlich wie die Vedute, die Entwicklung der Kartografie im Laufe von 200 Jahren. Die ältesten Karten werden, gleich wie die Veduten, in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert, als die Karte endgültig von der symbolischen Abbildung der Welt abrückte und sich zum mehr oder weniger realen, zweidimensionalen Ausdruck von räumlichen Beziehungen in der Landschaft weiterentwickelte. Mit fortschreitender Zeit verschwanden Wale und Meeresungeheuer von der Oberfläche der Ozeane und die Tiere vom Landboden. Die Kartenfelder füllten sich mit symbolischen Zeichen, Bilder waren im 17. Jahrhundert von einem Rahmen mit den geografischen Koordinaten und im 18. Jahrhundert von einem Koordinatennetz umgeben. Die Maulwurfshügel-Manier zur Geländedarstellung wurde durch die genaueren Schraffen abgelöst. Das Kartenblatt wurde jedoch nicht völlig von der Mathematik beherrscht. Die ursprünglich schlichten Titelkartuschen, die anfangs höchstens mit einem Maskaron und einem einfachen geometrischen Motiv geschmückt waren, wurden ab Mitte des 17. Jahrhunderts von allegorischen Kupferstichen umgeben. Füllhörner, Symbole von militärischem Erfolg oder Personifikationen der dargestellten Länder waren mit reichen heraldischen Verzierungen geschmückt, und bei den grafischen Maßstäben waren Putten oder Engel mit kartografischen Instrumenten abgebildet. Kartuschen mit Widmungen waren mit dem Porträt des Widmers versehen. Trotz der äußeren Veränderungen dieser künstlerisch aufgemachten Teile bleibt der inhaltliche Wert der Kartenblätter oft gleich. Dieselbe Platte wurden nicht selten mehrere Male überarbeitet, damit sie unter einem neuen Titel und Datum ihrem Herausgeber Gewinn brachte. Besonders ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurden Kartensätze mit unterschiedlichen Kartuschen immer häufiger.

Das Kartenwerk bildet ähnlich wie die Veduten einen repräsentativen Querschnitt durch das europäische Schaffen des 16.-18. Jahrhunderts. Die Einzelstücke aus Ortelius‘ Gründungswerk werden für das 17. Jahrhundert mit Arbeiten von niederländischen Kartografen ergänzt – es genügt die Amsterdamer Familien Visscher, Janssonius, Schenk und Blaeu zu erwähnen. Auch in den nachfolgenden Epochen blieb Amsterdam das Mekka der Kartografie. Die niederländische Kartografie des 18. Jahrhunderts vertreten hunderte Arbeiten der Firma Covens & Mortier, der Familien Schenk oder Ottens. Trotz seiner unbestrittenen Bedeutung verlor Amsterdam später seine Monopolstellung. Einen Platz an der Sonne schlug sich Paris mit den Familien Delisle und Sanson heraus. Symbol der deutschen Kartographie wurde Nürnberg; Johann Baptist Homann und seine Erben gaben ein ganzes Jahrhundert lang Atlanten heraus, die ihren vielen Konkurrenten ein Vorbild waren. In Nürnberg arbeiteten außer den Homanns auch die Werkstätten von Matthäus Seutter und Christoph Weigel. Ein bedeutendes Zentrum war auch Augsburg mit den Arbeiten von Tobias Conrad Lotter. Von den italienischen Kartografen muss wenigstens Giovanni Giacomo de Rossi genannt werden, dessen Offizin sich in Rom befand.

Thematisch können in der Sammlung Moll außer den klassischen politischen Karten mehrere Bereiche unterschieden werden. Die bedeutendste Gruppe stellen die Karten der Schlachtfelder und Stadtbelagerungen dar. Bereits unter den Merian’schen Arbeiten befanden sich einige Schlachten des Dreißigjährigen Kriegs, die Mehrheit der von Moll gesammelten Pläne war jedoch aktuelleren Datums. Es sind vor allem Türkenkriege an der Militärgrenze des Balkans dargestellt. Norditalien und die französische Reichsgrenze waren weitere Kriegsschauplätze. Die Pläne halten manchmal lediglich die Aufstellungen der Armeen und die Richtungen der Generalangriffe fest, manchmal auch die Schusslinien der Artillerie, brennende Städte oder Soldatenfiguren. Nicht nur der Erwähnung, sondern auch einer genaueren Studie wert wäre die Analyse der handgezeichneten Karten und Pläne, die Moll aus diesem Gebiet zusammen trug. Sicherlich handelt es sich teilweise lediglich um handgezeichnete Kopien der existierenden gedruckten Karten. Sollten jedoch einige der Pläne Originalwerke sein, die Moll während seines Aufenthaltes in Wien von Offizieren bekommen konnte, die persönlich an den Schlachten teilgenommen hatten, so würde die Bedeutung von Molls Atlas eine völlig neue Bewertung erfahren.